Hinter der Schiebewand auf Intensiv liegt Herr Haller und bittet um Hilfe.
Ich versichere ihm überschwänglich, dass ich eine herzliche und willentliche, ausgebildete Helferin bin und ihm sehr gerne behilflich bin.
Er sitzt im Bett, ist an Elektroden angeschlossen und kann seine Arme nicht bewegen und versichert mir panisch, er habe schreckliche Platzangst und vermisse ziemlich doll seine Frau Hilde.
"Oh man, Herr Haller, ich verstehe sie. Ich lenke sie n bisschen ab." Ich versichere, Hilde wäre sicher nix passiert. Seine Tränen verwandeln meine Wut und Angst in Fürsorge.
Ich stehe nun bei Herrn Haller, bis mich der Pit Bull auf meine Platz zurückpfeift.
Schwups, Kirschenangepisstheit wieder da - rasanter Stimmungsumschwung inner Bude hier.
repost |
Wieder allein. "Herr Haller, schau´n sie aus dem Fenster. Sie können ganz weit blicken, sehn sie? So wird die Platzangst besser!"
Herr Haller weint. Hilde fehlt, Platzangst und er möchte nicht zurück ins Pflegeheim. Das wäre wie im Ghetto, erzählt er traurig.
99 von 100 Personen schweigen immer. Um sieben müssen die ins Bett. Es wäre so schrecklich da.
In meinem Kopf spiele ich in Gedanken die Befreiungsaktion "Operation angemessener Lebensabend" der Pflegeheimbewohner in der badischen Metropole durch. Ich fahre schwarz gekleidet den Flucht-Flexibus mit allen Bewohnern Richtung Cote d`azur. Im Bus gröhlen die erleichterten Alten Lieder von Freddy Quinn und Hans Albers.
Jeder Mensch in meinem Bus hat ne Menge erlebt. Schreckliche Schicksalsschläge und wundervolle, glückliche Zeiten. Sie haben Kinder auf die Welt gebracht und denen den Rücken freigehalten und auf die Enkel aufgepasst. Sie haben Bausparverträge gefüllt, auf Urlaube verzichtet um Ausbildungen zu bezahlen. Sie haben gepflegt, waren fleißig und haben ihr Leben gelebt.
Waldorf und Stadler |
Hilde ist gekommen und die Angst weicht der Erleichterung. Herr Haller bedankt sich bei mir, dass ich ihn abgelenkt habe und mit ihm gesprochen habe. "Nicht dafür, Herr Haller, bitte nicht dafür".
Er muss zurück ins "Ghetto". Seine Metastasen wüten in seinen Rippen und verursachen seine Schmerzen". Er verlässt die Intensivstation. Wir lächeln uns noch freundlich zu.
Ich werde umschulen. Ich werde Reiseleiterin für den letzten Lebensabschnitt. Ich fahre meine lustigen Alten zu Rollstuhlsommerrodelbahnen über die Alpen; mit der Pflegebettensauschwänzlebahn durch die illustre Bergwelt der Schweiz.
""""""Herzlich Willkommen auf dieser wundervollen Reise Richtung Finales-Lebensdrittel-Ponderosa. Ängste werfen wir jetzt alle bei 3 aus den Panoramafenstern. Das 5 Sterne Menü wird ihnen heute von Alfons Schuhbeck kredenzt. Rauchen sie, wenn sie wollen, gerne auch fette Zigarren. Eierlikör für die Damen wird umgehend ausgeschenkt. Anrufe von ihren Kindern, die sie zusammenscheißen, was sie sich dabei denken, reichen sie bitte direkt nach vorn zu mir durch.
Ich wünsche ihnen allen von Herzen eine atemberaubende Reise und stehe ihnen gerne für jegliche Fragen zur Verfügung"""""""
Tschüss, Herr Haller, ich wünsche ihnen alles Liebe, zwinker, zwinker ;-)
Mein Tagesfundstück widme ich Herrn Haller:
das muss manchmal auch mal sein Anmerkung meinerseits: Herr Haller heißt selbstverständlich nicht Herr Haller sondern Herr Schmid, Müller, Hermann, Reiser, Leopold oder so ähnlich......... |
Lass mich bitte wissen,wann dieses Projekt startet,bin mit vollem Herzen dabei❤
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